Willkommen Claus Allendorf
Bad Hersfeld, Garten
Bad Hersfeld
"Festspiele"
Schon vor dem Krieg spielte man Theater in der Stiftsruine. Es waren Laienspiele und das schaurig schöne "Hexenlied" von Ernst von Wildenbruch. 1951 war es, als man sich entschloss, die größte romanische Kirchenruine Europas in Bad Hersfeld ihrer neuen Bestimmung zu übergeben. Mysterienspiele nach dem Vorbild von Salzburg wollte man hier spielen, und kein Geringerer als Johannes Klein, Schüler des großen Max Reinhard, setzte sich dafür ein. Zusammen mit Kulturinteressierten Hersfelder Bürgern gehörte er zu den Begründern der Festspiele, deren Schirmherrschaft der Bundespräsident Theodor Heuss übernahm. Das Gesamtdeutsche Ministerium gab einen nicht unerheblichen Zuschuss und hatte dadurch natürlich einen starken Einfluss auf die Programmgestaltung. Johannes Klein hatte beste Beziehungen zum Wiener Burgtheater, und was lag näher als die großen Schauspieler dieser berühmten Bühne während der Sommerpause zu engagieren. Lil Dagover, Paula Wessely, Hannsgeorg Laubenthal, Albin Skoda, Attila Hörbiger, Elisabeth Flickenschild, Ida Ehre - unvergessene Schauspieler - sie alle standen in den ersten Festspieljahren auf der größten Bretterbühne Deutschlands. In diesen "Heiligen Hallen" spielte man Hugo von Hofmannnsthals Jedermann, König Ödipus und Das Salzburger Große Welttheater. Die Zuschauer wurden mit Fanfaren in die Ruine gelockt. Es gab keinen Beifall, man jubelte nicht. Weihevoll verließ man schweigend dieses ehemalige Kloster, in dem man Jahre vorher noch Granaten gesprengt hatte, das als Exerzierplatz für preußische Truppen herhalten musste und wo französische Truppen lagerten. 1761 - das Kloster wurde schon lange nicht mehr seinem Zweck entsprechend genutzt - steckten es die Franzosen in Brand. Sie benutzen es damals als Lager für Futtermittel und Verpflegung. Jetzt im Jahre 1951 wurde die Ruine wieder zum sakralen Raum. Bad Hersfeld wurde über die Grenzen hinaus für seine Festspiele berühmt. Heute wird diese Bühne in einem Atemzug mit Salzburg und Bayreuth genannt. Kritiker aus aller Welt berichteten und berichten über die Aufführungen in der Ruine. Erst im Jahre 1961 wurde unter der Leitung von Hollywood-Regisseur William Dieterle ein Lustspiel aufgeführt. Man spielte Shakespeares Sommernachtstraum. Man amüsierte sich in der Ruine - und das in diesen "Heiligen Hallen". Aber erst 1966 als Theo Lingen den Malvolio in Was Ihr wollt spielte, durfte man Beifall spenden und offiziell lachen. Hilde Krahl, Klausjürgen Wussow, Erika Pluhar waren die herausragenden Schauspieler der Ära Dieterle, die bis 1965 dauerte. Danach folgte die 10-jährige Intendanz des Ulrich Erfurth.  Erfurth behauptete, dass man auf der Hersfelder Bühne alles spielen könne. Man müsse es eben nur können. Erstmals spielte man Bertholt Brecht, aber auch Zuckmayers Rattenfänger und den Tollen Tag von Beaumarchais. Theo Lingen, Götz George, Walter Giller, Volker Lechtenbrink, Will Quadflieg - um nur einige aufzuzählen - gaben sich die Ehre, auf der größten Bühne Deutschlands zu spielen. Günther Fleckenstein, Intendant von 1976 bis 1981, wollte aus der Kleinstadt in der Provinz ein Hessisches Avignon machen. Ein Rahmenprogramm mit Kunstausstellungen, Straßentheater, Soireen und Kindertheater sorgte für die heute noch unnachahmliche Festspielatmosphäre. Fleckenstein brachte es fertig, ein Stück auf die Bühne zu bringen, von dem niemand glaubte, dass es hier gespielt werden kann : Warten auf Godot von Samuel Beckett wurde mit viel Lob von den Kritikern bedacht. Zu Fleckensteins Zeit wurden auf der riesigen Bühne Stücke gespielt, die heute im Schloss Eichhof gezeigt werden, so zum Beispiel Molièrs George Dandin. Wieder waren Schauspieler der Spitzenklasse zu Gast in Bad Hersfeld : Mario Adorf, Friedrich Schütter, Frank Hoffmann, Sigmar Solbach sollen hier nur als Beispiel genannt werden. Nach Fleckenstein stellte sich Reinhold K. Olszewski als Intendant vor. Er war schon in den Jahren zuvor als Regisseur erfolgreich in Bad Hersfeld tätig und wusste von daher, was man mit dieser Bühne anfangen kann. Mit dem Musical Der Mann von La Mancha setzte er einen Meilenstein in der Geschichte der Stiftsruine. Kein Geringerer als Karl Vibach, der 1984 nach dem Tod von Olszewski und einem kurzen Intermezzo von Hans Gerd Kübel Intendant wurde, führte Regie. Karl Vibach, ein Musicalspezialist, füllte die 1.630 Plätze der Ruine von 1985 bis 1987 mit dem Musical Anatevka. Er inszenierte Shakespeares Hamlet, gespielt von Folker Bohnet, und Romeo und Julia. Unvergessen bleibt Der Sturm durch das geniale Bühnenbild von Manfred Gruber, der fluoreszierende Trevirafäden durch die Ruine spannte. Jochen Schmidt war es, der nach dem Tod von Karl Vibach die Intendanz bis zum Ende 1987 übernahm. Von 1988 bis 1994 war Dr. Peter Lotschak Intendant der Bad Hersfelder Festspiele. Er war der erfolgreichste Intendant und schaffte es, nicht nur die Ruine zu über 90 % zu füllen, sondern auch das Niveau der Festspiele so zu gestalten, daß Bad Hersfeld von den Kritikern zu den guten Theatern Europas gezählt wird. Mit dem Jedermann ließ Lotschak eine alte Tradition wieder aufleben. Für ihn war es wichtig, den Menschen mit seinem Theater zu bewegen, ihn zu berühren und ihn zum Lachen zu bringen. Sein aufwendigstes Projekt war Cyranno de Bergerac in einer Inszenierung von Jerome Savary in Zusammenarbeit mit dem Theatre National de Challiot. Broadway-Stimmung brachte er mit dem Musical Hair in die Ruine. Genial auch Antigone in einer Bad Hersfelder Fassung von Martin Walser und Edgar Selge. Nicht die bekannten Schauspieler aus Film und Fernsehen standen auf der Bühne, sondern die besten von der Bühne, wie Hanna Burgwitz, Meike Harten, Anita Lochner, Hannes Granzer, Kurt Böwe und Karl-Heinz Martell, um nur einige zu nennen. Von 1995 bis 1997 kehrte Volker Lechtenbrink als Intendant der Festspiele nach Bad Hersfeld zurück. Mit dem Musical Cabaret, Shakespeares König Lear und Zuckmayers Der Rattenfänger knüpfte er nahtlos an die Erfolge seines Vorgängers an. Mit dem Musical The Rocky Horror Show wagte er ein Experiment und wurde durch ausverkaufte Vorstellungen bestätigt. Ab 1998 ist Dr. Ingo Waszerka "Herr" der Stiftsruine. Er wurde schon 1988 / 89 mit Kiss me, Kate und 1990 mit Kohlhaas als Regisseur von Publikum und Kritikern sehr gelobt. In diesem Jahr zeigte er das Musical The Black Rider von Robert Wilson, Tom Waits und William S. Burroughs. Der berühmte Regisseur Jérôme Savary inszeniert Shakespears König Richard III. Er kehrt nach seinem großen Erfolg mit Cyrano de Bergerac in die Ruine zurück. Der israelische Regisseur David Levin inszeniert Schillers Die Verschwörung des Fiesco zu Genua. Seit 1996 wird Kindertheater in der Ruine für das junge Publikum geboten. Der Räuber Hotzenplotz erfreute nicht nur die Kinder, sondern auch die "älteren" Zuschauer. 1998 wird mit Der Junge Rabe das Schauspielmärchen von F. K. Waechter für Kinder aufgeführt. Nicht mehr wegzudenken sind auch die Opern in der Ruine. Siegfried Heinrich und der Arbeitskreis für Musik bringen seit 1981 jedes Jahr zwei Opern zur Aufführung. Unvergessen bleiben Richard Strauß Salome, Beethovens Fidelio und Mozarts Zauberflöte. Viele Opern, so auch Die verkaufte Braut, wurden vom ungarischen und tschechischen Fernsehen ausgestrahlt. Ausgebucht war Carmen 1994 und auch bei der Wiederaufnahme 1995 mit einer eigenwilligen und großartigen Inszenierung. Neben Verdis Nabucco wurde 1997 noch die Mozartoper Cosi Fan Tutte aufgeführt. 1998 wird Cosi Fan Tutte wiederholt und Verdis Troubadour neu in das Programm aufgenommen.